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Hat ihr Kind HHS? - Neueste Forschung belegt die problematische Wirkungen von HHS

Erstellt von Mag. Dr. Günter Lueger |

Lesen Sie hier, worum es sich bei diesem Phänomen handelt, ob ihr Kind betroffen oder gefährdet ist und was Sie dagegen tun können.

Bevor wir Ihnen das Wesen und die Hintergründe von HHS hier vorstellen, können Sie gleich testen, ob ihr Kind HHS hat. Beantworten Sie die folgenden Fragen möglichst ehrlich und gewissenhaft:

• Ist es für Ihr Kind öfters schwierig, mit den Hausaufgaben zu beginnen?

• Kommt es vor, das Sie mit Ihrem Kind wegen der Hausaufgaben streiten?

• Äußert sich ihr Kind häufiger negativ über Hausübungen?

• Haben Sie den Eindruck, dass das Thema Hausübungen die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Kind belastet?

 

Wenn Sie drei oder mehr der Fragen mit "ja" beantworten, dann hat ihr Kind HHS!!! Handeln Sie rasch, damit die Potenzialentwicklung ihres Kindes nicht noch stärker beeinträchtigt wird, das Vertrauen und die Beziehung sich nicht verschlechtert und eventuell sogar massive Beeinträchtigungen wie Schlafstörungen oder Sinn-Entzug sich einstellen.

STOP - STOP - STOP - STOP - STOP - STOP -

Es gibt kein HHS bei Ihrem Kind - und auch nicht bei anderen Kindern!

HHS ist eine Wort-Kreation, die ich seit einiger Zeit in meinen Vorträgen verwende, es bezeichnet das "Hausübungs-Horror-Syndrom", das ich hier gleich näher beschreiben werde. Da ich ausgebildeter Wissenschaftler bin, wäre es ziemlich einfach, Ihnen HHS als ein mögliches Problem ihres Kindes zu verclickern - genau das soll hier aber nicht passieren. Ich beschreibe ihnen hier mal die Vorgehensweise, wie man so ein Phänomen und Problem (vielleicht sogar eine Krankheit) erfinden könnte:

  • Man nehme einen pfiffigen Begriff, wie eben HHS UND die Botschaft, dass dieses Phänomen das Defizit von Menschen oder hier halt Kindern ist
  • Dazu braucht es noch paar Fragen, die sich auf dieses Phänomen (bei HHS ist es Frust im weitesten Sinne mit Hausübungen) und auf die Person des Kindes beziehen (wird wissenschaftlich als "Personalisierung" bezeichnet)
  • Eine Befragung von ein paar Hundert Kindern mit den geeigneten Fragen (weiter oben hab ich ja ein paar für Sie erfunden)
  • Die Klassifizierung der Antworten der paar Hundert Kinder, die mit Sicherheit dann kritische Grenzwerte liefern (ein Drittel der Kinder wird hohe Werte haben), das kann ich Ihnen ohne Befragung und statistische Analyse versichern, sie erinnern sich vielleicht noch an die Gaußsche Normalverteilung)
  • UND (wenn ich wirtschaftliches Interesse verfolge): ein umfangreiches Angebot an Kursen, Test-Instrumenten, Beratungsangeboten für HHS

Genau das bzw. solch ein Vorgehen soll hier kritisch in Frage gestellt werden, denn das Thema "Frust mit Hausübungen" ist ein sehr relevantes und nicht selten werden die Kinder als Problem dabei gesehen (d.h. eine Sinn-Diskontinuität wird als personalisiertes Phänomen wahrgenommen). Genau hier möchte ich eine andere Argumentation zugänglich machen, zum Thema und Phänomen HHS!

Das Hausübungs-Horror-Syndrom (HHS) existiert in meiner Wahrnehmung und Beobachtung von Eltern-Kind-Beziehungen und Familiensituation tatsächlich. Es bezeichnet all den Jammer, den Kinder beim Nachhause-Kommen schon bei Tür äußern (wir müssen 16 Seiten in Deutsch machen bis übermorgen, jetzt haben wir morgen Mathe-Schularbeiten und bis morgen haben wir soviel Hausaufgabe....), die oft endlosen Diskussion, dass die Hausübung am besten gleich zu machen ist, die lauten Worte gegen Abend, was denn jetzt mit der Hausübung ist usw. usw. usw.

Da Sie vielleicht Papa oder Mama sind wenn sie auf die Überschrift reagiert haben, werden sie wahrscheinlich diese Dinge und noch viele andere Varianten beim Jammer über Hausübungen kennen. Familientherapeuten schätzen, dass mehr als die Hälfte der Konflikte mit Kindern und belastenden Familien-Situationen mit (Schul)Kindern in Zusammenhang mit den Hausübungen stehen.

Ich gehe mal von einer vorsichtigeren Schätzung aus: es sind nur 40 Prozent! Das bedeutet bei ca 1,1 Millionen Schülern in Österreich dass 440.000, also fast eine halbe Million Kinder und Jugendliche inklusive ihrer Eltern und Familien davon betroffen sind. Fast ein halbe Million Kinder, die sich in Zuständen des Unwohlseins, des Sinn-Entzuges und ähnlicher Phänomene befinden. Viele davon täglich, hoffentlich viele seltener.

Das ist der eine Teil des HHS-Phänomens, erst durch den jetzt folgenden weiteren Teil entsteht aus meiner Sicht ein wirklich horribles Phänomen:

Studien zeigen seit langem, dass die Wirkung von Hausübungen auf LERNERFOLG der Kinder nicht vorhanden ist, statistisch ist die Korrelation "0". Das heißt, egal ob Kinder Hausübungen machen oder nicht, es hat keine oder eine zu vernachlässigende Wirkung auf Lernen! Genaue Analysen zeigen, dass es einzelne Situationen, vor allem im Sekundarstufenbereich gibt, wo ein geringer Effekt auftritt, aber auch hier ist die Wirkungen von Hausübungen ebenfalls marginal (es sind ganz andere Faktoren, die Lernerfolg bewirken - siehe zusammenfassend zu den relevanten Faktoren von Lernerfolg z.B. die Metastudie von John Hattie oder z.B. Tina Hascher, Uni Salzburg bzw. Bern).

Jetzt braucht man die beiden Informationen nur zusammengeben, um zu verstehen, warum ich von einem "HAUSÜBUNGS-HORROR-SYNDROM" spreche (im übrigen sehr ungern, es wäre besser es gäbe es nicht). Wenn man all die Zorres in den Familien, die Nervenanspannung bei den Kindern und den Eltern nimmt und dem die Wirkungslosigkeit der Hausübungen gegenüberstellt, welchen anderen Begriff sollte man dann verwenden?

HHS ist daher weder ein Defizit und schon gar kein Problem der Kinder sondern wenn schon - ein pathologisches Phänomen des Bildungssystems. Oder freundlicher fomuliert: eine Schrulle und Irrationalität, die konkreter Veränderun bedarf, bevor noch mehr Kinder und Eltern mit Schule Frust verbinden.

Daher sollten möglichst rasch Maßnahmen gesetzt werden:

  • keine bzw. weniger Hausübungen und wenn überhaupt dann von den Kindern selbstgewählte Hausübungen, die spezifisch bei jedem Kind ansetzen
  • Mit den SchülerInnen regelmäßig über den Sinn von Hausübungen sprechen in der Klasse und dann die Hausübungen anpassen
  • Hausübungen als sinnvolle Vorbereitung auf neue Themen
  • Zeit nehmen am Abschluss einer Unterrichtsstunde für das "Aufsetzen" von sinnvollen HÜ
  • Koordination der Hausübungen in verschiedenen Fächern in NMS und AHS/BHS.... um die "Hausübungs-Menge sinnvoll zu steuern
  • Konzentration auf jene Faktoren, die Lernerfolg fördern (HÜ sind es halt leider nicht)

Die Wirkung wäre phänomenal:

Mehr als 1 Million Kinder und Eltern in Österreich (in der gesamten EU wären es in diesem Schätzungsrahmen etwa 70 Millionen) hätten eine hohe Wahrscheinlichkeit

  • eine entspannte Freizeit mit mehr Freude und der Möglichkeit zur sinnvollen Beschäftigung zu haben
  • hätten deutlich weniger mühsame Diskussionen und Streit und Konflikte
  • könnten eine bessere Beziehung entwickeln
  • würden das Thema Schule und vor allem LERNEN positiver sehen
  • und und und....

Auch die PädagogInnen hätten positive Effekte, sie müssten nicht Hausübungen korrigieren, die keine Wirkung haben. Studien zeigen auch, dass PädagogInnen sehr wohl die Begrenztheit der Wirkung von Hausübungen erkennen (vgl. z.B. die Studie an der TU Dresden).

Die Gruppe, die vielleicht am meisten Unterstützung beim Thema "Hausübungen" braucht, sind die Eltern. Für Sie sind die Hausübungen eine der wenigen Möglichkeiten mitzubekommen, was das Kind in der Schule so macht. Und alle, wirklich alle, kennen nur ein Bildungssystem, das auf Hausübungen setzt. Sie können sich meist gar nicht vorstellen, dass es ein Schulleben ohne bzw. mit einer anderen Art von Hausübungen gibt. Sie sind selber als Schüler auch in der Regel nie gefragt worden, was sinnvolle Hausübungen sind. Es bräuchte daher eine großflächige Informationskampagne um Eltern auf den wissenschaftlichen Stand zu bringen und auch Alternativen, damit sie eingebunden sind in die schulische Entwicklung und somit andere Möglichkeiten haben, den Lernstand ihres Kindes zu erfahren.

Übrigens: nicht nur beim Thema Hausübungen sollten Eltern sinnvolle Information kriegen! Meist liegt ihre eigene Schulerfahrung 20 oder 30, ja in vielen Fällen sogar 40 Jahre zurück. Das Rad der Pädagogik hat sich gottseidank weitergedreht und der Erkenntnisstand der Pädagogik sollte den Eltern zugänglich gemacht werden.

Lesen sie mehr dazu in meinem nächsten Beitrag.

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